Wenn die Leber, unsere innere Recyclinganlage versagt, hilft meistens nur noch eine Transplantation. Doch Organe sind knapp und nicht jeder Patient ist dafür geeignet. Dennoch gibt es eine Möglichkeit, die Komplikationen der bisher unheilbaren Leberzirrhose und Bauchwassersucht zu behandeln. In einem hochkomplexen Verfahren kann in der Leber eine künstliche Gefäßumleitung gelegt und somit der Blutstau in der Hauptader (Pfortader) der nicht mehr funktionstüchtigen Leber umgangen werden.
„Der rettende Eingriff ist jedoch immer noch recht unbekannt und wird auch nur an wenigen Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern angeboten. Viele Patienten müssten jedoch nicht länger unnötig leiden“, betonten Dr. Daniel Paschke, Leitender Oberarzt Gastroenterologie, und Dr. Andreas Knopke, Leiter der Abteilung Diagnostische und Interventionelle Radiologie. Am Klinikum Südstadt Rostock wurden seit 2017 mehr als 125 Gefäßumleitungen nach der sogenannten TIPS-Therapie implantiert.
Wer kann von dem Verfahren profitieren?
„Das Verfahren kommt vor allem für Patienten mit einer Leberzirrhose infrage, welche an der Komplikation Bauchwassersucht (Aszites) leiden“, erläuterte Dr. Daniel Paschke. „Große Mengen Wasser können sich so im Bauchraum ansammeln. Weitere Einsatzmöglichkeiten ergeben sich bei akuten und lebensbedrohlichen Blutungen aus Krampfadern (Varizenblutung) in der Speiseröhre und im Magen, bei Nierenversagen im Rahmen einer fortgeschrittenen Leberzirrhose und einem Lebervenenverschluss.“ Am häufigsten werden chronische Lebererkrankungen durch regelmäßigen Alkoholkonsum oder durch chronische Leberentzündungen als Folge von Virusinfektionen wie einer Hepatitis ausgelöst. Sie führen zum Absterben von Leberzellen und einer Vernarbung der Leber. Letztendlich kann die Leber als das zentrale Stoffwechselorgan ihre lebenswichtigen Aufgaben nicht mehr oder nur noch teilweise erfüllen. Täglich filtert die kleine Hochleistungsmaschine rund 2.000 Liter Blut und gibt dieses wieder entgiftet und gereinigt in den Kreislauf ab. „Wir können eine kranke Leber nicht heilen, aber die Komplikationen durch einen Gefäßstent und die Umleitung sehr gut kompensieren. Insbesondere die regelmäßige und sehr unangenehme Ableitung des Bauchwassers durch eine Punktion entfällt und damit auch das zusätzliche Infektionsrisiko“, erklärte Dr. Daniel Paschke.
Wie funktioniert der Stent?
Die TIPS-Operation kann bis zu vier Stunden dauern und ist immer eine Teamarbeit eines hoch professionellen, eingespielten OP-Teams. Diese wird unter Leitung eines Radiologen gemeinsam mit einem Gastroenterologen oder Hepatologen, einem Anästhesisten sowie einer erfahrenen OP-Kraft durchgeführt. TIPS steht für einen „transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunt“, also eine künstliche Gefäßumleitung des Blutgefäßsystems in der Leber. „Hierfür wird ein in die Leber führendes Gefäß mit einem zum Herzen führenden Gefäß mittels Stenteinlage verbunden. Dieser Stent, ein röhrenförmiges Metallgeflecht mit einer speziellen Beschichtung, wächst ein und verbleibt im Körper“, erläuterte Chefarzt Dr. Andreas Knopke. „Durch die künstliche Umleitung der Lebergefäße direkt in den Blutkreislauf können wir den gefährlichen Überdruck, den sogenannten Pfortaderhochdruck in der Leber senken. Für jüngere Patienten ist das Verfahren zudem eine hilfreiche und manchmal auch eine lebensrettende Überbrückung bis zur Lebertransplantation“, unterstrich Dr. Andreas Knopke.
Hohe Fallzahl kommt Patienten zugute
Egon Bohn konnte mit einem Gefäßstent an der Leber geholfen werden. Der Rostocker litt vermutlich aufgrund einer verschleppten Hepatitis an einer Leberzirrhose. Regelmäßig musste der Bauch punktiert und Wasser abgelassen werden. Dazu kamen unerträgliche Schmerzen, geschwollene Beine, Kreislaufstörungen und eine stark eingeschränkte Mobilität. Als der Leidensdruck zu groß wurde, suchte der heute 72-Jährige ärztliche Hilfe. 2018 wurde ihm am Klinikum ein Stent eingesetzt, der das in der Leber aufgestaute Blut umleitet. „Mir geht es jetzt wieder sehr gut, ich habe meine Lebensqualität zurück“, sagte der ehemalige Polizist. Jährlich werden am Klinikum Südstadt Rostock etwa 30 Lebergefäßstents eingesetzt. Die Ergebnisse aus den regelmäßigen Nachuntersuchungen werden in einer Studie erfasst und fallen äußerst positiv aus. „Die inzwischen hohe Fallzahl und die Erfahrungswerte am Klinikum Südstadt kommen Patienten mit ernsthaften Leberproblemen zugute. Menschen mit Lebererkrankungen sollten rechtzeitig eine Spezialsprechstunde aufsuchen, um jahreslangem Leiden vorzubeugen“, so die Mediziner.
Klinikum Südstadt Rostock
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